Die Gelehrten sind heute noch geteilter Meinung, wem nun die Erfindung des Telefons zuzuschreiben sei: Johann Philipp REIS (1860) aus Gelnhausen bei Frankfurt-Main oder Alexander Graham BELL (1875) in den Vereinigten Staaten von Amerika. Beide haben jedenfalls dazu beigetragen, dass wir heute von unserm eleganten Fernsprechapparat über weite Entfernungen sprechen können.
Das Telefon wurde für den öffentlichen Gebrauch in Luxemburg durch das Gesetz vom 20. Februar 1884 freigegeben. Schon am 1. Oktober 1885 wurde das Telefonamt Luxemburg mit 91 Abonnenten in Betrieb genommen (Berlin hatte zur Zeit der Inbetriebnahme nur 48 Teilnehmer).
Der erste Telefonapparat wurde bereits 1884 bei der Postagentur in Grosbous eingerichtet. Er diente nicht der Vermittlung von Privatgesprächen, sondern der Weitergabe von Telegrammen.
Durch den Telefonapparat (statt des Morseapparates) war das Übermitteln des Telegramminhaltes sehr vereinfacht worden.
Der Verkehr von Abonnent zu Abonnent wurde erst am 16. August 1889 eingeführt (gleichzeitig mit den Ortschaften Boulaide, Esch-Sauer, Bögen, Dalheim). Es befand sich ein Telefon im Postgebäude und in einer öffentlichen Kabine die sich im Hause “Schungjauns an der Broutgaas” befand.
Abbildung 1:Mit diesem Schild waren die öffentlichen Sprechstellen gekennzeichnet |
Somit wurde Grosbous eine gröβere Bedeutung zugemessen, denn Schifflingen z.B. erhielt erst 1913 ein Telefonnetz.
Im Jahre 1895 zählte man bereits 500 vermittelte Gespräche und Telegramme im Monat. Es gab auch nur einen Briefträger der neben dem Austragen der Korrespondenz auch noch die Bedienung des Telefons bewerkstelligen musste. Dabei kam er regelmäβig auf eine Dienszeit von 18 Arbeitsstunden pro Tag. Die “Grosbousser” baten deshalb die Postverwaltung, einen zweiten Beamten einzustellen.
Abbildung 2:Postamt Grosbous am Anfang des 20. Jahrhunderts,Photo Sammlung Pletschette Fernand |
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Abbildung 3:Das originalgetreu
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Leider sind die Teilnehmerverzeichnisse aus der Zeit vor 1904 verlorengegangen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden auch keine Fernsprechbücher, sondern nur Teilnehmerlisten herausgegeben. Erste Hinweise auf die Teilnehmer von Grosbous enthält das "Handbuch für die Teilnehmer an den Fernsprecheinrichtungen" vom Jahre 1904
Hier waren auf Seite 42 unter Nr. 94 "Fernsprechanlage in Grosbous" folgende Teilnehmer eingetragen :
2 Ettelbrück, Telephonamt
4 Gendarmerie, Grosbous
6 Offentliche Fernsprechstelle, Postamt
3 Rambruch, Telephonamt
5 Bettborn, Telephonamt
8 Schandel, Gemeindeverwaltung
7 Wahl, Gemeindeverwaltung
Einen Privatmann gab es also nicht unter diesen Teilnehmern. Soll es an den Gebühren, am mangelnden Interesse oder dem misstrauischen Abwarten allem Neuen gegenüber gelegen haben?
Erst im "Handbuch für die Teilnehmer an den Fernsprecheinrichtungen" vom März 1913 finden wir :
4 Gendarmerie
12 Majerus Michel, Sägewerk und Cafebesitzer, Grevels
11 Rosseau Alex, Apotheker
Die Post muss auf diese Stammkunden bis in die 20er Jahre zählen. 1924 lässt das "Livret l'usage des abonnés aux reseaux téléphoniques" neue Namen in Erscheinung treten:
11 Cahen Marx, proprietaire J. Cahen, maison de commerce
4 Gendarmerie
14 Lieffrig-Muller, J.-P. boulangerie
13 Lies Michel, hotelier
12 Majerus Michel, scierie et cafetier, Grevels
16 Wallenborn Math., transports et camionnage.
Die Teilnehmerzahl erhöhte sich ständig, wie nachstehende Statistik zeigt :
Jahr |
Teilnehmer |
---|---|
1904 |
3 |
1913 |
3 |
1921 |
6 |
1928 |
12 |
1937 |
18 |
1940 |
22 |
1950 |
36 |
1954 |
47 |
1960 |
70 |
1971 |
91 |
Die Erhöhung ist verschiedenen Umständen zuzuschreiben:
Zum Vergleich hier die Zahlen für das Land Luxemburg :
Jahr |
Teilnehmer |
---|---|
1904 |
1 860 |
1945 |
10 730 |
1950 |
16 853 |
1960 |
36 486 |
1970 |
81 645 |
Eine der wichtigsten Einrichtungen eines Telefonnetzes ist die Vermittlung. Hier werden die Teilnehmer zusammengeschaltet. Das geschah früher mit der Hand, heute jedoch wird diese Arbeit elektromechanisch oder elektronisch erledigt.
Grosbous hatte eine Handvermittlung bis zum 9. Juli 1959. Diese Vermittlung besteht aus einem Schrank, in den alle Teilnehmerleitungen münden. Ruft ein Abonnent das Amt durch Drehen der Kurbel seines Apparates an, so fällt die seiner Nummer entsprechende Klappe (daher die Bezeichnung Klappenschrank).
Eine Klingel machte den Beamten auf den Anruf aufmerksam. Unter den Klappen sind Klinken, an die jeweils eine Teilnehmerleitung angeschlossen ist. Der Beamte verband sein Telefon mit der Klinke des anrufenden Abonnenten und fragte nach dessen Wunsch. Um zwei Teilnehmer miteinander zu verbinden, brauchten nur ihre Klinken mit einer Leitungsschnur verbunden zu werden.
Lange Wartezeiten und zeitlich beschränkter Dienst waren die Nachteile der Handvermittlung. An den Klappenschrank von Grosbous konnten zuletzt 100 Leitungen angeschlossen werden. Der Schrank war ein Fabrikat der Bell Telephone Mfg. Co aus Antwerpen.
Der Klappenschrank war im alten Postgebäude untergebracht. Ein neues Gebäude in der “Häregaas” am Ende des Dorfes ging 1954 in Betrieb. Hier stellte Ketty Wampach bis zum 9. Juli 1959 die Telephonverbindungen manuell her.
Abbildung 4:Klappenschrankmit 100 Anschlussleitungen
(Foto Postmusée |
Sie ist Tag und Nacht betriebsbereit und ermöglicht den Abonnenten, ihre Verbindungen in einigen Sekunden selbst herzustellen.
Bei Beginn der integralen Automatisierung des Landes 1954 hatte sich die Postverwaltung wegen der Vereinheitlichung für das sogenannte EMD-Wählsystem enschieden.
Alle Telefonzentralen Luxemburgs arbeiten nach diesem System.
Die neue automatische Vermittlung in Grosbous wurde am 9. Juli 1959 in Betrieb genommen. Geliefert wurde sie von der Albis AG, Zürich, einer Tochterfirma von Siemens & Halske.
Abbildung 5: |
Ebenfalls im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung erhalten alle Teilnehmer fünfstellige (seit kurzem auch sechsstellige) Rufnummern. Die beiden ersten Ziffern geben immer das Ortsnetz an. So erhielt Grosbous die Kennzahl 88. Bei fünfstelliger Rufnummer können also die Nummern 88000-88999 verwendet werden; die Zentrale Grosbous kann demnach 1000 Teilnehmer aufnehmen. Alle Teilnehmer, deren Rufnummer mit 88 anfing waren also an die Zentrale in Grosbous angeschlossen.
Bis jetzt (1972) ist sie erst für 700 Teilnehmer ausgebaut (Rufnummern 88000 88699).
Ihr Fassungsvermögen ist demnach um Vielfaches gröβer als das der früheren Handvermittlung.
c) Die Telefonapparate
Die älteren Einwohner erinnern sich noch sicher an die massiven Holzkasten, aus denen eine Kurbel und ein Haken zum Aufhängen des Hörers herausragten. Zum Anrufen wurde die Kurbel etwa 3 mal gedreht, bei diesem Drehen wurde ein Kurbelinduktor (Dynamo) betätigt, der eine hohe Wechselspannung bis zu 100 Volt erzeugte.
Dies erzeugte einen kurzen hohe Stromstoβ brachte in der Handvermittlung die Klappe zum Herunterfallen, so dass die diensthabende Person mit dem Anruf in Kontakt treten konnte.
Abbildung 6: |
Solche Geräte wogen etwa 7 kg, der moderne Apparat wiegt nur 2 kg. Die Post bezog ihre Apparate damals vor allem von folgenden Firmen: Schäfer & Montanus (diese Firma hatte die Post zuerst mit Telefonapparaten beliefert), Siemens & Halske, Bell, Atea, Ericsson.
Abbildung 7:
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Abbildung 8:
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Die Teilnehmer mussten "beim Herannahen eines Gewitters" ihre Apparate erden. Anleitungen hierzu waren im Teilnehmerverzeichnis nachzulesen.
Die Apparate waren massiv, aus vielen Einzelteilen von Hand zusammengesetzt und dementsprechend teuer in der Herstellung. Sie benötigten Unterhalt: von Zeit zu Zeit musste die Batterie ausgewechselt werden.
Die Batterie zur Mikrofonspeisung war am gleichen Ort angebracht wie der Telefonapparat selbst, daher die Begriffe Ortsbatteriesystem, Ortsbatterieapparat (OB). Diese Batterie musste alle 1 bis 2 Jahre ersetzt werden, und zwar durch einen Facharbeiter der Post. Heute steht diese Batterie für alle Teilnehmer gemeinsam im Amt, also zentral an einem einzigen Ort, daher der Begriff Zentralbatteriesystem (ZB).
Abbildung 9:
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Abbildung 10:
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Die ersten Fernsprechnetze waren reine Ortsnetze, d.h. über die Grenzen der Ortschaft hinaus konnte nicht telefoniert werden. Die Verbesserung der Mikrofone und Hörer ermöglichte aber nach und nach diese Grenzen zu sprengen. Grosbous war 1904 schon mit Ettelbruck, Rambrouch und Bettborn verbunden.
1947 bestanden folgende Verbindungsleitungen :
2 nach Ettelbruck
3 nach Bettborn
2 nach Redingen
Vor 1940 bestand noch eine Direktleitung mit Rambrouch. Zur Zeit der Handvermittlung waren folgende Dörfer ebenfalls direkt mit der Vermittlung in Grosbous verbunden:
Dellen,
Wahl,
Kuborn,
Brattert,
Heispelt,
Schandel.
Die Teilnehmer dieser Dörfer waren nicht direkt an den Klappenschrank in Grosbous, sondern an den Vermittlungsschrank ihrer "Cabine publique" angeschlossen. Eine Leitung dieses Schrankes führte jeweils zum Schrank in Grosbous. Somit war es möglich, Grosbous und damit Ettelbruck und Luxemburg zu erreichen.
Die öffentliche Fernsprechstelle (siehe Abbildung 1) ermöglichte auch den Personen, die keinen eigenen Anschluss hatten, am Fernsprechverkehr teilzunehmen; auβerdem hielt sie die Leitungskosten niedrig.
Eine Ausnahme bildeten die Teilnehmer Buschrodts: sie waren direkt an Grosbous angeschlossen.
Im Jahr 1970 war die automatische Zentrale von Grosbous durch 28 Leitungspaare mit Ettelbruck verbunden (14 Leitungen abgehend, 14 ankommend).
Waren im Handbetrieb die 2 Leitungen nach Ettelbruck besetzt, so bestand die Möglichkeit, falls ein dringendes Gespräch zu führen war, nach Redingen und von da aus nach Ettelbruck verbunden zu werden. Solche Umwege waren zeitraubend und die Qualität der Verständigung wurde dadurch auch nicht besser.
Verbindungen nach dem Ausland waren schon seit der Einführung des Fernsprechdienstes möglich:
mit Belgien seit dem 10. Juni 1898
mit Frankreich seit dem 1. Februar 1900
mit Deutschland seit dem 1. November 1902
Diese Verbindungen wurden über Ettelbruck und Luxemburg hergestellt
Vor 1922 (Datum der Automatisierung der Hauptstadt) mussten alle Teilnehmer die Verbindung bei ihrem Postamt anfragen.
Ein Luxemburger Teilnehmer z.B. wurde von Luxemburg nach Ettelbruck und von da nach Grosbous verbunden.
Ein Remicher Abonnent wurde erst nach Luxemburg, dann auf dem erwähnten Weg vermittelt.
Erst 1922 konnten die Teilnehmer der Hauptstadt die meisten Handvermittlungen durch Wählen einer dreistelligen Zahl erreichen:
Esch-Alzette 971,
Echternach 937,
Cap 985,
Ettelbruck 961 .. .
Die Verbindung zum Teilnehmer aber wurde wie bisher immer noch durch die Hand hergestellt.
Am 5. August 1941 war auch in Ettelbrück die Handzentrale durch eine automatische von Siemens & Halske ersetzt worden. Das Ortsnetz Ettelbruck erhielt jetzt die Rufnummer 02. Ein Luxemburger Teilnehmer erreichte den Ettelbrücker Teilnehmer 2397, indem er die Ziffern 02-2397 wählte.
Die Handvermittlung Ettelbrück, die auch weiterhin. die Verbindungen nach Grosbous und anderen Handnetzen herstellte, war jetzt unter der Nummer 02-1 zu erreichen. Grosbous war aber auch über Redingen (9981) anzuwählen.
In den 50er Jahren wurde die eine der beiden Verbindungsleitungen Grosbous-Ettelbrück an die automatische Zentrale Ettelbrücks angeschlossen. Der Vermittlungsbeamte in Grosbous konnte somit Teilnehmer von Ettelbrück, Luxemburg (Luxemburg war von Ettelbrück durch Wählen der Zahl 01 zu erreichen), sowie den an Luxemburg angeschlossenen Ämtern selbst wählen, was eine bedeutende Verringerung der Wartezeiten mit sich brachte.
Nach der Automatisierung von Grosbous verschwanden die erwähnten Handvermittlungen in den einzelnen Dörfern. Diese Teilnehmer wurden direkt an die Grosbousser Zentrale angeschlossen.
Abbildung 11:
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Abbildung 12:Albis-Tischtelephon |
Abbildung 13:
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Abbildung 14: |
Abbildung 15:
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Abbildung 16: |
Abbildungen 6 -16: Alle Fotos Herkunft Postmusee CsT
Bratttert |
Buschrodt |
Dellen |
Grevels |
Grosbous |
Heispelt |
Kuborn |
Lehrhof |
Mertzig |
Michelbuch |
Rindschleiden |
Schandel |
Vichten |
Wahl |
Die Gesprächstaxen wie wir sie 1972 kannten, wurde erst am 15. Januar 1920 eingeführt. Vor diesem Datum war sie im Abonnementspreis einbegriffen. Allerdings musste sich der Teilnehmer verpflichten, seinen Apparat keiner fremden Person zur Verfügung zu stellen. Die Überwachung dieser Auflage war natürlich sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
1908 kostete ein Hauptanschluss während der ersten 5 Jahre 100 Fr., während der folgenden Jahre 90 Fr.; die Erneuerung der Batterie wurde mit 2 Fr., ein zweiter Hörer mit 10 Fr. und ein Teilnehmerverzeichnis mit 1 Fr. berechnet.
Für den Teilnehmer war das Verzeichnis gratis.
1924 verlangte die Post mehr für ihre Dienste : ein Gespräch kostete 0,25 Fr., die Einrichtung eines Anschlusses je nach Ortschaft zwischen 80 und 150 Fr., die Erneuerung der Batterie 10 Fr., ein zweiter Hörer 60 Fr., der Tischapparat war 50 Fr. teurer als der Wandapparat ...
Das Telefon war damals ein Luxus, den nicht jeder sich leisten konnte. Deshalb finden sich in den alten Teilnehmerverzeichnissen auch fast nur Geschäftsleute, Verwaltungen und Freiberufliche.
Auch musste der Teilnehmer seine Telefonate während der von der Post hierfür vorgesehenen Dienststunden abwickeln, die sicher nicht immer seinen persönlichen Bedürfnissen entsprachen.
Die Teilnehmerzahl erhöhte sich ständig, wie nachstehende Statistik zeigt :
Zeitraum |
Wochentags |
Sonn- und Feiertage |
---|---|---|
1908 |
8-12 / 2-7 |
8-9 / 5-6 |
1914 |
8-12 / 2-7 |
8-10 / 3-6 |
1924 |
8-12 / 2-7 |
8-10 / 3-6 |
1937 (1.5. - 30.9) |
8 - 22 |
8 - 22 |
1937 (1.10 - 30.4) |
8 - 22 |
8-12 / 14-20 |
1954 (1.5 - 30.9) |
7 - 22 |
8 - 22 |
1954 (1.10 - 30.4) |
7 - 22 |
8 - 20 |
Im Jahre 1972 konnten wir, da die Automatisierung des Netzes seit 10 Jahren abgeschlossen ist, zu jeder Tages- und Nachtzeit sogar nach Amerika telefonieren, ohne auch nur einen Menschen zu bemühen.
Die Einrichtung eines Telefons ist heute für jeden erschwinglich, wie aus der stets wachsenden Teilnehmerzahl hervorgeht.
Fernziel der Postverwaltungen ist der weltweite Selbstwählverkehr. Die ersten Schritte hierzu sind bereits getan.
Georges Tock, (im Jahre 1972, 2016)
Ps: Der vorliegende Bericht stammt aus dem Jahre 1972 und wurde 2016 von seinem Verfasser textuell etwas angepasst. An der Beschreibung über die Technik wurde aber absichtlich nichts verändert. Der Text endet also im Jahre 1972! Danach sind viele Neuerungen im Telephonwesen gekommen und schon wieder verschwunden auch in Grosbous.
Die Fotos wurden alle im Jahre 2016 zum besseren Verständnis auf Wunsch von Herrn TOCK Georges von Herrn STEMPER Carlo Mitarbeiter des Postmuseum Luxemburg hinzugefügt
Unser Dank gilt all jenen, die zur Verwirklichung dieses Berichtes beigetragen haben.
Webmaster: Fernand Pletschette